Literatur & Bücher

Politische Theorie des Antiziganismus

Mai 26th, 2025  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Tittel CoverLaura Soréna Tittel: Politische Theorie des Anti­ziganismus. Genese und Kritik eines modernen Herr­schafts­ver­hält­nisses (=Beiträge zur kritischen Anti­ziganis­mus­forschung, Bd. 2), transcript Verlag: Bielefeld 2025 [Erschei­nungs­datum: 20.12.2024], 258 Seiten.

→Open Access: Download (pdf)

Antiziganismus ist bis heute weit verbreitet und betrifft Sinti*ze und Rom*nja als An­ge­hörige der größten Minder­heit Europas in beson­derem Maße. Dennoch wird das Thema in Wissen­schaft und Gesell­schaft gleicher­maßen verdrängt. Im Anschluss an die kritische Gesellschafts­theorie ver­bindet Laura Soréna Tittel Über­legungen zur Funktion der »Zigeuner«-Figur in der politi­schen Theorie von Kant, Marx und Adorno mit um­fang­reichem Quellen­material, das von früh­neu­zeitlichen Gesetzes­texten bis zu polizeilich ein­ge­setzten Bildern reicht. Sie zeigt die Genese des modernen Anti­ziganis­mus in der Aufklärung, im Kapitalismus und in der Staatenbildung auf und ermög­licht so kritische Perspek­tiven auf ein gesell­schaft­liches Herrschaftsverhältnis.

(Text: transcript Verlag)

dROMa 77 (Pedar o mulo / Über den Mulo)

Mai 18th, 2025  |  Published in Brauchtum & Tradition, Literatur & Bücher, dROMa (Magazin)

dROMa 77Über den Mulo | Pedar o mulo

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Bei allen Romagruppen wird den Ver­storbe­nen größ­ter Respekt ent­gegen­ge­bracht. Damit Hand in Hand geht aber auch die Angst, dass diese zurück­kehren könnten: Mule, das sind die Toten­geister, die in der tra­ditio­nellen Vor­stellungs­welt der Roma einen beson­deren Stellen­wert ein­nehmen. Dazu prä­sentie­ren wir Ihnen zwei kenntnis­reiche Artikel, die vor fast 25 Jahren für die Roma-Kultur­daten­bank Rom­base ent­standen. Im ersten skiz­ziert Milena Hübsch­mannová den Mulo-Glauben und die daran ge­knüpften Bräuche. Wie präsent Mulo-Ge­schichten im Leben vieler Roma sind, illustrie­ren zwei moderne Erzählun­gen aus dem Burgenland, vorgetragen von Trude Horvath (verst. 2010) und Julius „Gyula“ Horvath (verst. 2008) aus Unterwart. Im zweiten Beitrag aus Rombase schildern Michael Teichmann und Mozes F. Heinschink die viel­fältigen Trauer­rituale diverser Roma-Gruppen. Der Roma-Verlag KHER in Prag wiederum hat den Mulo-Ge­schich­ten ein ganzes Buch gewid­met: Die Heraus­geberin Karolína Ryvolová sprach mit Alexandra Pavelkováund Ivan Kučera über die Antho­logie „O mulo!“ und das Schreiben der Roma. Eine Kost­probe, eine Kurzgeschichte von Ilona Ferková, finden Sie auf Seite 14. Und zu guter Letzt infor­mieren wir noch über eine ver­stö­rende Serie von Grab­schändungen in Wien.

Uso cile Romengere grupn le mulenge igen baro respekto del. Ada­leha ham te i dar del, hot odola papal pal schaj an: Mule, odola hi o mulen­gere gajster­tscha, save ando tradi­cijo­neli angle terdscha­ripe le Romen­dar jek barikano terdscho­ji­peskero than ande len. Use, duj barikane pisinip­tscha tumenge angle ter­dscharas, save angle bojd 25 berscha la Romen­gera-kul­tu­rakera ban­kake Rombase kerde ule. Ando erschti, pisinel i Milena Hübschmannová pedar o Mulo-pa­tscha­jipe taj pedar o aun gom­bosime tradiciji. Saj barikane o Mulo-his­toriji ando dschivipe but Romen­dar hi, sikan duj moderni phukajip­tscha andar o Burgenland, phukade la Trude Horvathatar (oj 2010 muli) taj le Julius „Gyula“ Horvathistar (ov 2008 mulo) andar i Tenu Erba. Ando dujto pisi­nipe andar Rombase phukan o Michael Teichmann taj o Mozes F. Heinschink pedar o minden­felitike briga­kere ritujal­tscha min­den­feli­tike Romen­ge­re-grup­nen­dar. O Romen­ge­ro-falog KHER ande Prag, hatek le Mulo-his­tori­jenge jek cili kenva vid­mintscha: I ardi­jasch­kija Karolína Ryvolová la Alexandra Pavelkováha taj le Ivan Kučerajiha pedar i anto­logija „O mulo!“ taj o pisini­pe le Romendar, vakertscha. Jek pro­balin­tschago, jek harni historija la Ilona Ferkovátar, laken tumen upri rik 14. Taj akor meg infor­macija pedar jek bibas­tali serija grobos­kere tscho­rip­tschen­dar Betschiste, uschtiden.

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But voja uso genipe kivaninen tumenge
tumare dschene andar dROMa

(dROMa)

„Nevo tschibtschakero prikdipe“

April 12th, 2025  |  Published in Einrichtungen, Jugend & Bildung, Literatur & Bücher, Musik, Radijo/TV Erba (Tschibtscha), Romani, Veranstaltungen & Ausstellungen

Radijo ErbaRadijo Erba & TV Erba

Tschibtscha | 11.4.2025 | 11:06 min

„Innovative Sprachvermittlung“ des Forum4Burgenland: Jahres­tagung und Prä­sen­ta­tion eines Kinder­lieder­bu­ches in Eisen­stadt

Amen vodschikan use amaro berschen­gero talali­nipe „Nevo tschib­tschakero prik­dipe“ le Forum­4Bur­gen­landis­tar akaras tumen. O mulatin­tschago, tscheter­tekon, ando 10to april 2025, ando kultu­rakero kongresa­kero centrum Tikni Martona tel likerdo ol. Loschanen tumen upre jek minden­felitiko pro­gramo, savo neve koji uso prikdipe le flogos­kere grupnen­gere tschib­tschendar le Burgen­lan­distar ando masch­karutno punkto ter­dscharel taj tumenge jek dikipe ando tschib­tschakero siklipe la muschi­kaha, la naturaha taj le mici­nipeha del. Uso berschengero talalinipe jek but tschib­tschakeri dschi­lakeri kenva le flogoskere ischko­lakere tschavenge ando reli­gijo­nakero siklipe angle terdschardi ol. I anaven­geri patrin ando keripe jeke fesch­tini­peskere bever­bistar le tscha­vendar taj tschajendar kerdi uli. Tumen schaj tumenge o minden­felitiko le and bitschade kipendar uso mulatin­tschago aun diken, o jerinasch­tscha taj jerina­schkiji uso mulatin­tschago pati­jarde on. Jek but tschib­tschakero chor o programo dschi­lenca andar i dschi­lakeri kenva vodinla. O Forum4Burgenland jek sikadipeskero forum la Privati Pedago­gischi Utschi Ischko­latar Burgen­land, la sikadi­peskera direk­ci­jo­natar Burgenland taj le bur­genlan­ditike flogo­skere grupnen­gere bajro­tschendar hi. Ando bersch 2019 le ciliha kerdo, o flogoskere grup­nengere tschibtscha, o burgen­landitiko horvacko, o ungriko taj o Bur­gen­land-Romani ando pradi­peskero esbe lipe te sikal taj ando sikadi­peskero than te soraljarel.

Das Forum4Burgenland ist ein Bildungsforum der Privaten Päda­go­gischen Hochschule Burgenland, der Bildungs­direktion Burgen­land und der burgen­län­dischen Volks­gruppen­beiräte. Es wurde im Jahr 2019 mit dem Ziel geg­ründet, die Volks­gruppen­sprachen Burgen­land­kroatisch, Ungarisch und Burgen­land-Romani in der öffent­lichen Wahr­nehmung sichtbarer zu machen und sie im Bildungs­bereich zu stärken. Die Veranstaltung fand am Donnerstag, den 10. April 2025 im „Kultur Kongress Zentrum Eisenstadt“ statt und bot ein viel­fältiges Pro­gramm, das inno­vative Ansätze zur Ver­mittlung der Volks­gruppen­sprachen des Burgen­landes in den Mittel­punkt rückt und Einblicke in das Sprachen­lernen mit Musik, Natur und Bewegung er­möglicht. Bei der Jahres­tagung wurde ein mehr­sprachiges Liederbuch für Volks­schulkinder im Religions­unterricht prä­sentiert. Read the rest of this entry »

„Die Konstruktion von Kriminellen“

April 4th, 2025  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Radijo/TV Erba (Tschibtscha), Veranstaltungen & Ausstellungen, Wissenschaft

Radijo ErbaRadijo Erba & TV Erba

Tschibtscha | 3.4.2025 | 11:08 min

Buchpräsentation mit Andreas Kranebitter, dem wis­sen­schaft­li­chen Leiter des Doku­men­ta­tions­archivs des öster­rei­chi­schen Wi­der­standes (DÖW)

Kenvakeri presentacija le Andreas Kranebitteriha, visen­schof­lichi vodaschi le doku­menta­cija­kere archi­vistar le austri­tike vider­schtaun­distar (DÖW) — O NS-schtot dschenen ledschija mindenfelitike argumentenca ando loger­tscha. O krimina­lengere haren­gere i sor dim uli, dsche­nen ande o loger­tscha te bitschal, kekaj meg nisaj pha­geripe on kerde. O haren­gere taj i SS etiki­rinde len vasch lengere anglutne schtrauf­tscha ojs „be­rufiskere fabrejcher­tscha“. Palo bersch 1945 on na ojs opfertscha aun dikle ule. Pal lende tschak garudnon vakerdo, taj nisaj forschi­nipe kerdo ulo. Ham ko sina o „kriminele ande tscha­pime dschene“ andar o logertscha? Upre saj tscha­tschi­peskero argeji­peskero punkto on deportirim ule? Saj angle peri­peskere deliktscha le sina? Sar o harengere oda arbu­tscha­linde o becaj­chinipe „berufis­kere fabrej­chertscha“? I kenva vidminel pe na tschak la NS-cajtake, ham te la historijake la krimi­nal­politi­kake andi Austrija.

Der NS-Staat deportierte Personen mit unterschiedlichen Begrün­dungen in Kon­zentra­tions­lager. Die Krimina­lpolizei wurde er­mächtigt, Personen in „Vorbeugung­shaft“ zu nehmen und in KZ ein­zu­weisen. Polizei und SS etiket­tierten sie wegen ihrer Vor­strafen als „Berufsverbrecher“. Nach 1945 galten sie nicht als Opfer. Über sie wurde nur hinter vor­ge­haltener Hand gespro­chen, aber nicht geforscht. Wer waren aber die „kriminellen“ Häftlinge der Kon­zentra­tions­lager? Read the rest of this entry »

Heute vor 80 Jahren wurde Auschwitz befreit

Januar 27th, 2025  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher

"Auschwitz ist mein Mantel" von Ceija Stojka

Gedicht von Ceija Stojka (1933–2013),
erschienen 2008 in der Edition Exil

Roma-Schwerpunkt im Gaismair-Jahrbuch

Januar 16th, 2025  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

Gaismair-Jahrbuch 2025Das kürzlich in Innsbruck erschienene „Gais­mair-Jahr­buch 2025“, heraus­ge­geben von Horst Schreiber und Elisabeth Hussl, um­fasst einen Schwer­punkt über den „Genozid an den Roma und Sinti in der NS-Zeit und seine Nach­wir­kun­gen in Ös­ter­­reich“ mit folgenden Beiträgen:

Gerhard Baum­gartner: Mar­gina­lisierung, Verfolgung und Ermordung der öster­reichi­schen Roma und Sinti, S. 69–84
Herbert Brettl: Die Er­inne­rungs­land­schaft des Roma-Ge­nozids in Ös­ter­­reich, S. 85–97
Mirjam Karoly: Gegen das Ver­gessen – für eine gleich­be­rech­tigte Zu­kunft! Rom:nja in Österreich, S. 98–105
Peter Pirker: Jenische Deser­teure der Wehr­macht, S. 106–123

In einem Ein­leitungs­text stellt Patrick Siegele die vier Aufsätze vor:

[…] Den Beginn macht der Historiker Gerhard Baumgartner, er be­schreibt in seinem Beitrag „Margina­lisierung, Ver­folgung und Ermordung der öster­rei­chi­schen Roma und Sinti“, wie bereits in der Habs­bur­ger-Monar­chie der Grund­stein für die spätere Dis­kriminie­rung und Ver­folgung österrei­chischer Roma gelegt wurde. Pseudo­wissen­schaft­liche Unter­suchun­gen sollten belegen, dass Roma und Sinti zu ver­erbtem „krimi­nellen und asozialen Ver­halten“ neigen. Dies führte dazu, dass sie zu­nehmend ins Visier der Polizei­arbeit ge­rieten und anti­ziganis­tische Ver­ordnun­gen und Gesetze ein­geführt wurden, die in vielen Fällen die Grund­lage für die spätere Verfolgung und Ermor­dung durch die National­sozia­listen bildeten. Baum­gartner be­schreibt die schritt­weise Ent­rechtung, Aus­grenzung und Aus­beutung der Roma, die ab 1938 zu ersten Depor­tationen öster­reichi­scher Roma und Sinti in Kon­zentra­tions­lager führten. Von den etwa 11.000 öster­reichi­schen Roma und Sinti haben nur rund 1.000 die NS-Zeit überlebt.

Wie lange den Roma und Sinti die Anerkennung als Opfer der rassisti­schen NS-Ver­folgung, und somit eine Ent­schädigung nach dem Opfer­fürsorge­gesetz versagt blieb, schildert Herbert Brettl in seinem Beitrag „Die Erin­ne­rungs­land­schaft des Roma-Genozids in Österreich“. Da Roma und Sinti auf­grund der rassistischen Ver­folgungs­politik der National­sozialisten als „vor­bestraft“ galten und „Zigeuner­lager“ wie Lackenbach nicht als Kon­zentrations­lager an­erkannt wurden, dauerte es bis in die 1980er-Jahre, dass die Ver­folgung und Ermordung der öster­reichi­schen Roma all­mählich Teil der offiziel­len Erin­nerungs­kultur wurden. Vor allem dank der Roma-Ini­tia­tiven selbst, setzte ein all­mäh­licher Wandel ein. Detail­liert be­schreibt Brettl in seinem Beitrag gedenk­kulturelle Initiati­ven in sechs Bundes­ländern, die Beispiele für Er­innerungs­zeichen an den Roma-Genozid vor­weisen können. Read the rest of this entry »

Fickijendar taj vurclinendar

Dezember 23rd, 2024  |  Published in Interview, Literatur & Bücher, Romani, Wissenschaft, dROMa (Magazin)

SPRACHE | TSCHIB

Von Nestern und WurzelnJek nevi Romani-alavengeri kenva rodel palo kes­diptscha


Duj tschibtschakere forschertscha jek barika­ni bu­ti ker­de: jek eti­mo­lo­gi­schi ala­ven­ge­ri ken­va le Ro­ma­ni­jistar. Pantsch ber­scha pa­loda terdschol akan anglo kise­ti­nipe. Amen le Miša Os­loniha (pol­ni­tiki aka­de­mija le visen­schof­ten­dar) taj le Kirila Ko­žano­viha (uni­ver­si­teta Potsdam) va­ker­tscham.

dROMa: So o aundefinipe uso projekto dija?
O gondo andar jek schutscho koja alo: Amenge hatek asaj ala­ven­geri kenva pekal. Dschi uso bersch 2019 imar poar Roma­ni-di­jalek­tscha schtu­dirin­tscham, taj amaro interesi upre aja igen schukar tschib use jek punkto alo, kaj amen palo kes­dip­tscha taj o ent­vik­li­nipe adale dija­lek­tschen­dar te rodel kama­hahi. Kekej but upri etimo­logija le Roma­ni­jistar butscha­linde (Pott, Miklosich, Turner, Boretzky, tschak poar te akarel), na dija jek kise­timo butscha­linipe. Hatek amen akor phen­tscham, hot jek etimo­lo­gischi alaven­geri kenva keras. Erschtivar, amen o amenge prin­dscharde „phure“ (a. b. indischi, persischi, arme­nischi, taj te greci­jakere taj sud­sla­vitike) alava khetan kedijam taj kes­din­tscham, jek bulhi historija sako­nestar te pisinel. Amen odotar ar dschas, hot odola alava le cile Romenge dschi use len­gero hinti­nipe usar o Balkan ando 15to schel­ber­schen­gero, prin­dscharde sina.

Kitschi alava hi?
Ande amari alavengeri kenva valami 1.200 „ficki“ del, a. b. jek vurclina mindenfe­litike odotar tel vodime ala­venca, kaj ando kise­tinipe poar eseri alava anali­sirim hi. O cile, valami 50 dijalek­tschendar kiposim on. Afka tschak na dikes, katar o alav al, hatek tu akor te dikes kaj lo and beschardo ol. Pedar ari, sakona histo­rijake sakone alavestar ande leskere minden­felitike schtadiji palal dschas, kaj jek angle­ter­dscho­jipe odolestar te uschtides, sar o phure dschene le Romendar ando minden­felitike cajtscha, vaker­nahi. Butvar tschak i historija jeka tschib­tschatar i historija le manu­schendar, save la vakeren, schaj sikal. Ada but alavenge terdschol, save o igen „phure Roma“ andar o tschib­tscha getschen line, sa­venca on upre lengeri dugi roas andar i Indija andi Grecija ando kon­takto ale. Read the rest of this entry »

Von Nestern und Wurzeln

Dezember 21st, 2024  |  Published in Interview, Literatur & Bücher, Romani, Wissenschaft, dROMa (Magazin)

SPRACHE | TSCHIB

Von Nestern und WurzelnEin neues Romani-Wörterbuch sucht nach den Ursprüngen


Auf eigene Faust machten sich zwei Sprach­for­scher an eine Her­ku­les­arbeit: ein ety­mo­lo­gi­sches Wör­ter­buch des Ro­ma­ni. Fünf Jahre spä­ter steht es vor dem Ab­schluss. Wir ha­ben mit Michail Oslon (Pol­ni­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten) und Kirill Kožanov (Uni­ver­si­tät Potsdam) ge­spro­chen.

dROMa: Was gab den Anstoß zum Projekt?
Die Idee entstand auf recht prosaische Weise: Wir benötig­ten einfach ein solches Wörter­buch. Bis zum Jahr 2019 hatten wir bereits einige Roma­ni-Dia­lekte stu­diert, und unser Inter­esse an dieser wunder­schönen Sprache hatte einen Punkt er­reicht, an dem wir den Ursprung und die Ent­wick­lung dieser Dialekte er­grün­den wollten. Obwohl viele an der Etymologie (Wort­geschichte) des Romani ge­arbei­tet haben (Pott, Miklosich, Turner, Boretzky, um nur einige zu nennen), gab es keine voll­ständige Be­arbei­tung. Wir be­schlos­sen also, ein etymo­logi­sches Wörterbuch selbst zu ver­fassen. Zuerst sammel­ten wir alle uns be­kannten „alten“ (d. h. indischen, iranischen, arme­nischen sowie teil­weise griechischen und süd­slawischen) Wörter und be­gannen, eine um­fas­sende Geschichte von jedem zu schrei­ben. Wir gehen davon aus, dass diese Wörter allen Roma bis zu ihrer Zer­streu­ung vom Balkan im 15. Jahr­hun­dert be­kannt waren („Gemein­wortschatz“).

Wie viele Einträge sind es?
Unser Wörterbuch besteht aus etwa 1.200 „Nestern“, d. h. einer Wurzel mit ver­schie­denen davon ab­ge­leiteten Wörtern, sodass am Ende einige tausend Wörter analy­siert sind. Alle werden an­hand von etwa 50 Dialekten illustriert. So kann man nicht nur erfahren, woher ein Wort stammt, son­dern auch wo und wie es jetzt ver­wendet wird. Darüber hinaus verfolgen wir die Geschichte jedes Wortes in seinen ver­schiede­nen Stadien, sodass man eine Vor­stel­lung davon be­kommt, wie die Vorfahren der Roma zu verschie­denen Zeiten sprachen. Oft kann nur die Ge­schichte einer Sprache die Ge­schichte der Men­schen, die sie sprechen, offenbaren. Dies gilt für viele Wörter, die die „Ur-Roma“ aus den Sprachen ent­lehnt haben, mit denen sie auf ihrer langen Reise von Indien nach Griechen­land in Kontakt kamen. Read the rest of this entry »

Sinti und Roma in Sachsen-Anhalt

Dezember 16th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Jugend & Bildung, Literatur & Bücher, Wissenschaft

QuellenNAHVerena Meier: Sinti und Roma in Sachsen-Anhalt. Zwischen Antiziganismus und Selbst­be­haup­tung (= QuellenNAH, Heft 9), Magdeburg 2024

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Seit 2021 veröffentlicht das Landesarchiv Sachsen-Anhalt in seiner archiv­pädago­gischen Reihe QuellenNAH sowohl gedruckt als auch digital historische Quellen, welche die viel­fältige Geschichte Sach­sen-An­halts doku­mentieren. Das nun vor­liegende neunte Heft widmet sich der Geschichte der Sinti und Roma in Sach­sen-An­halt und prä­sentiert Quellen vom 17. Jahr­hundert über die DDR-Zeit bis in die Gegen­wart. Diese doku­mentieren die Geschichte der Sinti und Roma als Teil der deutschen Geschichte. Das Landes­archiv und seine Ko­opera­tions­partner wollen damit einen dringend not­wendigen Beitrag zur historischen Auf­klärung und gegen An­ti­­ziganis­mus leisten.

Die Materialien und Quellentexte bieten vielschichtige didaktisch-metho­dische Zugänge zu Geschichte und Lebens­welten der Sinti und Roma und sensi­bilisieren für anti­ziganis­tische Vor­urteils­konstrukte in Ver­gangen­heit und Gegenwart. Zahl­reiche Bezüge zu Fach­lehrplänen sowie Infor­mationen zu außer­schulischen Lern- und Gedenk­orten ermög­lichen den Lehrkräften, dieses breite Themen­spektrum in den Unterricht ein­zu­binden.

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Khetanperipe ando Advent

November 23rd, 2024  |  Published in Einrichtungen, Literatur & Bücher, Musik, Veranstaltungen & Ausstellungen

Roma-Advent 2024Lesung – Musik – Kulinarik: Traditioneller Ro­ma-Ad­vent 2024 am 7. De­zem­ber ab 19 Uhr im Offe­nen Haus Ober­wart (OHO), Liszt­gasse 12. Eine Ver­­an­stal­tung von Han­go Roma. Ein­tritt frei.

Der traditionelle Roma-Advent wird schon seit vielen Jahren ver­anstaltet, um den Stellen­wert der Volks­gruppe der Roma nicht zu ver­lieren sowie die Tradition und Kultur der Volks­gruppe der Roma und Sinti zu stärken und in der Öffent­lich­keit erleb­bar zu machen. Heuer findet der Roma-Ad­vent unter dem Motto „35 Jahre Roma-Be­we­gung in Österreich“ statt.

Lesung von Sanja Abramovic
Die Autorin wurde 1982 in Karlovac/Kro­a­ti­en geboren und wuchs im Kurort Topusko nahe der bosni­schen Grenze auf. Sie lebt seit 1991 in Öster­reich, stu­dierte Germa­nistik und Slawistik an der Uni­ver­sität Wien. Seit 2007 lebt sie im Burgenland und unter­richtet Deutsch und Kroatisch. Die Bruch­stellen in ihrer Biografie führen bereits in jungen Jahren zu einer melan­cho­lischen Aus­einan­der­setzung mit Erin­ne­rungen, der Frage nach Heimat und Heimat­losig­keit, zu einer prinzi­piellen Skepsis der Sprache, den Menschen, der Welt gegen­über, zu un­zähligen Ver­ortungs­ver­suchen.

Projekt PRADO DROM: Präsentation und Re­sümee
Das Projekt „PRADO DROM – Offener Weg“ bietet ein nieder­schwelliges Beratungs- und Quali­fi­zie­rungs­an­ge­bot für arbeits­markt­ferne Roma und Romnja. Es sollen Beschäf­ti­gungs­hemm­nisse abg­ebaut, das Selbstwertgefühl gestärkt, Lösungs­kom­petenz aktiviert, Basis­bildung verbessert und somit der Weg von der Arbeits­losig­keit auf den Arbeits­markt geebnet werden. Im Rahmen der Ver­anstal­tung wird das Projekt prä­sentiert. Weiters wird ein Resümee ge­zogen über die groß­artigen Erfolge, die in den zwei Jahren erzielt wurden.

Viel Musik
Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung von den burgen­ländi­schen Roma-Mu­sik­grup­pen ROMANO RATH und der LEON BERGER BAND sowie vom NEWO ZIRO QUARTETT aus Wien. Weiters laden wir Sie auf eine kulina­rische Reise aus der Roma-Küche 2.0 – Romano Habe ein. Read the rest of this entry »

Hörbuch: Was weiße Menschen nicht …

Oktober 15th, 2024  |  Published in Frauenrechte, Literatur & Bücher, Radio, Podcast & TV, Rassismus & Menschenrechte

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen (aber wissen sollten)

Wer Rassismus bekämpfen will, muss Veränderung befür­worten – und die fängt bei einem selbst an. „Darf ich mal deine Haare anfas­sen?“, „Kannst du Sonnen­brand be­kommen?“, „Wo kommst du her?“ Wer solche Fragen stellt, meint es meist nicht böse. Aber den­noch: Sie sind rassis­tisch. Warum, das wollen weiße Men­schen oft nicht hören. Alice Hasters erklärt es trotz­dem. Ein­dring­lich und ge­duldig be­schreibt sie, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesell­schaft. Und sich mit dem eigenen Rassismus zu kon­fron­tieren, ist im ersten Moment schmerz­haft, aber der einzige Weg, ihn zu über­winden.

(Text: Verlagsinfo Hanser)

Die Kriminalpolizei im „Dritten Reich“

September 8th, 2024  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

StegererEberhard Stegerer: Die Kriminalpolizei im „Dritten Reich“: Dr. Bern­hard Weh­ner – ein poli­tisch un­ab­hän­gi­ger Ex­perte des Reichs­kri­minal­polizei­amtes? Pub­li­ka­tio­nen im Kon­text der Nach­kriegs­nar­ra­tive und -kon­ti­nu­i­täten in der Kriminal­polizei der Bun­des­­repub­lik Deutsch­land, Cvil­lier Ver­lag: Göt­tin­gen 2023 (348 S.)

Die Verbrechensbekämpfung gehörte nicht zu den zentralen Politik­feldern des national­sozialis­ti­schen Re­gimes, trotz­dem zählte die Kriminal­polizei „zum Kern und Macht­zentrum“ dieses völki­schen Maß­nahmen­staates. Die Kontrolle der Krimi­nalität und die Ver­fol­gung von so­ge­nann­ten ‚Berufs­ver­brechern‘ und sozialen Rand­gruppen waren wesent­liche Ele­mente natio­nal­sozialis­ti­scher Gesell­schafts­politik. Eine von Himmler 1937 zentra­li­sierte, im Reichs­kriminal­polizei­amt (RKPA) ver­reich­lichte und 1939 in das Reichs­sicherheits­haupt­amt (RSHA) in­tegrierte Kriminal­polizei wurde ein wirkungs­volles Werk­zeug des NS-Staates und voll­zog Maß­nahmen zur ,Vor­beu­genden Ver­brechens­be­kämpfung‘ zum Schutz der national­sozialis­tischen ‚Volks­gemeinschaft‘, vor allem auch zum Schutz ihrer ver­meintli­chen biolo­gischen Substanz. In diesem Rahmen wurden sowohl im Deutschen Reich als auch in den von der Deutschen Wehrmacht okku­pierten Gebieten rund 110.000 Men­schen von der Kriminal­polizei als ‚Ver­brecher‘ oder ‚Asoziale‘ in Kon­zentra­tions­lager deportiert, wo meh­rere Zehn­tausend den Tod fanden. Zudem ver­schleppte die Kriminal­polizei weit über 40.000 Sinti und Roma, die fast alle in der Folge umkamen. Die Deporta­tionen wären ohne die Kriminal­polizei nicht möglich gewesen, sie wurde damit auch in den Einsatz­gruppen der Ge­heimen Staats­polizei (Gestapo) und des Sicher­heits­dienstes (SD) zum Voll­strecker der national­sozialis­tischen Ver­nichtungs­politik. Read the rest of this entry »

Counterstrategies to the Antigypsy Gaze

September 7th, 2024  |  Published in Film & Theater, Literatur & Bücher, Rassismus & Menschenrechte, Wissenschaft

Radmila Mladenova (Hrsg.): Counterstrategies to the Antigypsy Gaze (=Antiziganismusforschung interdisziplinär: Schriftenreihe der Forschungsstelle Antiziganismus, Bd. 5), Heidelberg 2024Radmila Mladenova (Hrsg.): Counter­stra­te­gies to the Anti­gypsy Gaze (=Anti­zi­ga­nis­mus­for­schung inter­dis­zip­li­när: Schrif­ten­rei­he der For­schungs­stel­le Anti­zi­ga­nis­mus, Bd. 5), Hei­del­berg 2024.

In der Schriftenreihe Antiziganismus inter­diszipli­när der For­schungs­stelle Anti­ziganis­mus ist jüngst der von Rad­mila Mla­denova heraus­ge­ge­bene Sammel­band „Counter­stra­tegies to the Anti­gypsy Gaze“ er­schienen. Der Band befasst sich damit, wie sich Anti­ziganismus im Film be­gegnen lässt.

Ziel ist es, den Fokus weg von der Antiziganismus­kritik zu ver­lagern und die Diskussion über die künst­le­rischen Gegen­strate­gien zum Anti­ziganismus zu eröffnen, die die Not­wendigkeit inter­textueller, trans­kultureller und trans­medialer Ansätze bei der Analyse hervor­hebt. Die Beiträge stellen die Anwend­bar­keit der For­schungs­er­geb­nisse in den Vorder­grund und bieten eine breite Palette an Bei­spielen, die für Filme­macher und Fach­leute aus der Film­industrie nützlich sein könnten. Der Band doku­men­tiert die Fallstudien des inter­natio­nalen Work­shops „Artistic Alter­na­tives to the Antigypsy Gaze“, der 2021 in Heidel­berg stattfand.

Das Buch erscheint in hybrider Form, ist also sowohl als Soft­cover über den Buch­handel als auch kos­ten­los zum Download im Internet ver­fügbar.

(Text: Zentralrat)

Siehe auch:
Visuelle Dimensionen des Antiziganismus (2021)
The ‘White’ Mask and the ‘Gypsy’ Mask in Film

Tagungsband „Antiziganismus und Film“
Von, mit oder über Sinti und Roma? Überlegungen zum The­men­feld Anti­zi­ga­nis­mus und Film

Düsseldorf: Ausgrenzung und Faszination

August 22nd, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

Buchcover "Ausgrenzung und Faszination"Bastian Fleermann: Ausgrenzung und Faszination. Sinti und Roma in Düsseldorf und im nördlichen Rheinland vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, C. W. Leske Verlag: Düsseldorf 2024 (216 Seiten).

Faszination, Koexistenz und Ausgrenzung: Nicht immer, aber sehr oft trafen die Sinti und die Roma auf Argwohn und Ver­achtung. Erst­mals spürt eine Über­blicks­studie dieser Minderheit und dem Umgang mit ihr in einem um­grenzten Raum über mehrere Jahr­hun­derte hinweg nach – und kommt zu er­staun­lichen Er­geb­nissen.

Schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts gewährte ein Schutzbrief einer Roma-Grup­pe in Düsseldorf und im Herzog­tum Berg freies Geleit. Seit dieser Zeit lebten Roma, Sinti und andere Völker, von der Mehr­heits­gesell­schaft zu­nächst als »Czygeiner« be­zeich­net, im nördli­chen Rheinland. Die hier erstmals zu­sam­men­getra­genen Quellen belegen neben An­fein­dun­gen und Aus­grenzun­gen auch Phasen friedlicher Ko­existenz und Zusammen­arbeit. Sie zeichnen das Bild einer viel­fältigen Minder­heit, die sehr ge­schickte Über­lebens- und An­passungs­strategien ent­wickelte, um staat­licher Re­pression zu ent­gehen und sich in der Region zu be­haup­ten. Und sie lassen eine Alltags­ebene sichtbar werden, die nur schein­bar mit den parallel ent­stande­nen populä­ren »Zigeu­ner«-Bil­dern kor­respon­diert: Der Kitsch in der Kunst oder auf der Bühne, auf Foto­postkarten oder in Schauer­geschich­ten hatte mit der Lebens­realität von Sinti oder Roma so gut wie nichts zu tun. Read the rest of this entry »

Kulturverein: „Gleiche unter Gleichen“

Juli 17th, 2024  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher

Buchpräsentation des Kulturvereins am 16. Dezember 2023, v. li .nach re.: Vereinsobmann Christian Klippl, Intendant Wolfgang Böck, Historiker Gerhard Baumgartner, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (Foto: Kulturverein österreichischer Roma)Kulturverein österreichischer Roma (Hg.): GLEICHE UNTER GLEICHEN. Der Weg der po­liti­schen und sozialen An­er­ken­nung der ös­ter­rei­chi­schen Roma als Volks­grup­pe 1993, Wien 2023, 208 Sei­ten (Deutsch/Eng­lisch)

Am 16. Dezember 1993 wurden die Roma als sechste österrei­chische Volks­gruppe vom Haupt­aus­schuss des Natio­nal­rates ein­stim­mig an­er­kannt. 17 Jahre nach nach der Ver­laut­ba­rung des öster­rei­chi­schen Volks­grup­pen­ge­setzes von 1976 waren die öster­reichis­chen Roma nun endlich den anderen öster­reichi­schen Volks­gruppen gleich­gestellt. Ein histo­rischer Tag für die Roma.

Im Dezember 2023 feierte die Volksgruppe daher 30 Jahre Volks­gruppen­an­erken­nung. Aus diesem Anlass wurde vom Kulturverein öster­reichi­scher Roma eine Publi­kation (Deutsch/Englisch) erstellt, die die Hinter­gründe sowie die ein­zelnen Stadien jenes Pro­zesses zeichnet, der 1993 schließ­lich zur An­erkennung der Roma als sechste österrei­chische Volks­gruppe führte. Zur An­erkennung musste die Gruppe aber auch über ein ge­wisses Maß an Orga­nisation verfügen, denn ohne Ver­tretungs­organi­satio­nen hatte die Bundes­regierung keinen konkreten An­sprech­partner hin­sichtlich der An­ge­legen­heiten der Roma und Sinti. Mit der Gründung der Roma­vereine in Oberwart im Jahr 1989 und in Wien im Jahr 1991 wurde diese Hürde be­seitigt.

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Facts & Figures (518)

Juni 24th, 2024  |  Published in Facts & Figures, Literatur & Bücher

William Shakespeare erwähnt in seinen Wer­ken wie­der­holt „Gypsies“, u. a. in Ro­meo und Julia, Wie es euch ge­fällt und Othello.

(Quelle/pdf)

Bayern: Studie zur „Zigeunerpolizei“ des BLKA

April 18th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

BayernEveline Diener: Das Bayerische Landeskriminalamt und seine „Zigeuner­polizei“. Kon­tinui­täten und Dis­kon­tinui­tä­ten der bayeri­schen „Zigeuner­ermit­tlung“ im 20. Jahr­hun­dert (=Schriften­reihe der Deutschen Gesell­schaft für Polizei­geschichte e. V., Band 25), Verlag für Polizei­wissen­schaft: Frank­furt am Main 2021 (560 S.)

Die spezifisch genozidale Ausprägung der national­sozia­lis­ti­schen Verfolgung der „Zigeuner“ fand in der Geschichts­wissen­schaft und in der medialen Öffent­lich­keit erst ver­gleichs­weise spät Be­achtung. Dem spielte zu, dass eine ent­rechtende „Zigeuner­politik“ und „Zigeuner­verfolgung“ lange Zeit als normal an­ge­sehen wurde. Diese Proble­matik wird am Bei­spiel der für die „Zigeuner“- bzw. „Landfahrer­ermitt­lung“ zu­stän­digen Stelle des 1946 ge­grün­deten Bayeri­schen Landes­kriminal­amts (BLKA) unter­sucht. Hier werden Kon­tinui­täten sowie Dis­kontinui­täten in „Zigeuner­politik“ bzw. „Zigeuner­verfolgung“ auf der Zeit­schiene „Kaiserreich“, „Weimarer Republik“, „National­sozialis­mus“ und „Nachkriegs­zeit“ auf­ge­zeigt. Dafür werden zwei Forschungs­schwer­punkte zu­sammen­geführt: Die Unter­suchung der ein­schlä­gigen Vor­geschichte – an­gefangen vom Kaiserreich bis zum National­sozialismus – und schließ­lich die Unter­suchung der per­sonellen, inhalt­lichen und organi­sato­ri­schen Aus­gestal­tung der „Zigeu­ner“- bzw. „Landfahrerstelle“ des Baye­ri­schen Landes­kriminal­amts der Nachkriegszeit. Hierbei liegt der Fokus auf Prägungen und Laufbahnen der dort tätigen Be­schäf­tigten, auf gesell­schafts­politi­schen Rahmen­bedin­gun­gen und Einfluss­fak­toren sowie schließ­lich auf lang­fristig ge­prägten Strukturen und Mentalitäten in „Zigeuner­politik“ und „Zigeuner­ermitt­lung“. Somit leistet die Arbeit eine For­schungs­berei­che­rung auf dem bisher noch wenig unter­suchten Gebiet der „Zigeuner“- bzw. „Landfahrer­ermitt­lung“.

(Text: Verlagsinfo)

Eine kritische Besprechung von Markus End finden Sie hier (pdf).

Siehe auch:
Bayern: Polizei erforschte „Landfahrerstelle“
, 15.12.2021

Arnold Fortuin. Die Verfolgung der Sinti und Roma im Saarland

April 4th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Interview, Literatur & Bücher, Radio, Podcast & TV, Religion, Wissenschaft

Buchcover: Arnold FortuinFranz Josef Schäfer: Arnold Fortuin. Die Verfolgung der Sinti und Roma im Saarland, Saarbrücken 2022 [→Blattlaus-Verlag]

Der Illinger Historiker Franz Josef Schäfer legt erst­ma­lig die Ge­schichte der saarländischen Sinti und Roma vor, einer weit­gehend ver­gesse­nen NS-Opfer­gruppe.

Pfarrer Arnold Fortuin war der erste Seelsorger der deutschen Sinti und Roma. Bereits seit den Zwanzige­rjahren des 20. Jh. be­treute der dama­lige Saarbrücker Kaplan an der Michaels­kirche in Saarbrücken St. Johann die Außen­seiter und erteilte ihnen Unterricht. In der NS-Zeit gab er ihnen Trost. Nach dem Krieg war er ihr Anwalt und Berater in Ent­schädi­gungs­fragen. Seit 1955 findet all­jährlich eine Wallfahrt von Sinti und Roma statt zur Illinger Bergkapelle.

Die Monografie würdigt ausgiebig zum ersten Mal den Men­schen und Seelsorger Fortuin, der viele Jahre nach seinem Tod mit dem Bau des Fortuin-Hauses in Berlin sowie der Be­nen­nung einer Straße und einer Schule in Illingen eine späte An­er­kennung ge­funden hat. Neben einem histori­schen Abriss der Minder­heit stellt der Autor ihren Verfolgungs­weg auf quellen­kund­­li­cher Basis dar am Beispiel aus­ge­wählter Familien. Wie die Be­völ­kerungs­gruppe in belletris­ti­schen Werken saarländischer A­uto­rin­nen und Autoren ge­sehen wurde, ist eben­falls vor­zu­finden.

(Text: Blattlaus-Verlag)

Das Buch von Franz Josef Schäfer, thematisiert in der ausführ­li­chen Dar­stellung der Vita des katholi­schen Geist­lichen den Wider­spruch von indivi­dueller mensch­licher Hilfe und politischer Igno­ranz der Amtskirche. Schäfer be­trachtet einer­seits Fortuins Loyalität gegen­über dem Dienst­herrn und schildert anderer­seits, akribisch recher­chiert und mit großer Empathie, das per­sönliche Auf­be­gehren des Priesters, sein un­ge­broche­nes Engage­ment für die Minder­heit, sein Eintreten gegen die Unter­lassun­gen und Ignoranz der Mehrheit. Der Autor bewahrt sich den­noch die not­wendige Distanz. Der Zivil­courage Fortuins, die riskante Unter­stützung der Roma und Sinti in der NS-Zeit und der kon­tinuier­liche Einsatz für die Rechte der Roma und Sinti nach 1945, steht pointiert die Kritik an den Äußerun­gen des Kirchen­mannes gegen­über, nämlich der Kol­portage des üblichen Klischees, den ver­brämten Genera­lisie­rungen, die seit Jahr­hun­derten Grundlage der Dis­kriminie­rung sind. Read the rest of this entry »

Boschitscha o lek mirneder di …

Dezember 24th, 2023  |  Published in Literatur & Bücher, Romani

Boschitscha o lek mirneder di ando bersch hi

(Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr, 1901)

Rainer Maria Rilke (1875–1926)

Boschitscha o lek mirneder di ando bersch hi,
adaj schunes tu o cile vodschtscha te dschal taj te tschalal
sar ori, save kiratiskere ori phenen:
Boschitscha o lek mirneder di ando bersch hi,
adaj o cile tschavengere atscha bare on,
afka sar te o koji bartschonahi, save on diken,
taj dajale on o cile dschuvla
taj o cile tschavengere atscha bare on.

Adaj iste ari dschas ando dugo vilago
kameha tu la boschitscha te dikel, la schukar,
afka sar te tro gondo le forijendar schoha manglo,
afka iste ari dschas ando dugo vilago.
Odoj paschlon bare nebi pedar tute,
save upre durarde parne vescha nugodinen,
o droma bartschon telal tre botschkori
taj bare nebi paschlon pedar tute.

Taj ando bare nebi terschol jek tscherheni
cilon prado use jek tschulo baro ududanipe,
o duriptscha pasche an sar jek vela
taj ando bare nebi terdschol jek tscherheni.

La Clara Rilkejake, Boschitscha 1901

Ins Romani übersetzt von Josef Schmidt.
Andi Romani tschib o Josef Schmidt o prik bescharipe kertscha.

Sammelband über den NS-Völkermord

Oktober 11th, 2023  |  Published in Geschichte & Gedenken, Literatur & Bücher, Wissenschaft

Cover Sinti und RomaKarola Fings / Sybille Steinbacher (Hrsg.): Sinti und Roma. Der natio­nal­sozia­lis­ti­sche Völker­mord in histo­ri­scher und ge­sell­schafts­poli­ti­scher Per­spek­tive (=Da­chau­er Sym­posien zur Zeit­ge­schichte, Bd. 19), Wall­stein Verlag, Göttingen 2021, 288 S.

Der Völkermord an den Sinti und Roma: bis heute ein »blinder Fleck«. Der Völker­mord an den Sinti und Roma erfuhr erst eine öffent­lich weithin sicht­bare An­erken­nung, als 2012 in Berlin das zentrale Denkmal für diese Opfer­gruppe ge­schaffen wurde. Doch bis heute ist das Wissen um die Verfolgung der Minder­heit und den an ihr began­genen Völker­mord gering.

In historischer Perspektive werden das Verfolgungs­gesche­hen im Deutschen Reich, das Leid im Kon­zentrations­lager Dachau sowie die Tötungs­verbrechen in Ost- und Südost­europa dar­gestellt. Dem Span­nungs­feld von Täter- und Opfer­per­spek­tiven und den Kontinuitäten und Brüchen nach 1945 gilt ein beson­deres Augenmerk. In ge­sellschafts­politischer Perspektive werden Fragen der Ver­mitt­lungs- und der Bürgerrechts­arbeit proble­matisiert sowie die Bedeu­tung des bis heute wirk­mächtigen Anti­ziganis­mus für die Über­lebenden und deren Nach­kommen the­matisiert.

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